Als wir in Big Bear ankommen, warnen uns die Einheimischen, dass für die nächsten Tage ein Schneesturm angekündigt ist. Bei dem warmen Sonnenwetter scheint das zunächst eher unwahrscheinlich, aber das Wetter in den Bergen ist ja bekanntlich sehr unbeständig. Tatsächlich zieht noch am selben Abend ein Unwetter mit starken Winden auf und es wird plötzlich richtig eisig. Am nächsten Morgen ist alles weiß und der Schnee hält noch den Tag über an. Der kleine Bergort wirkt mit einem Mal richtig weihnachtlich, vor allem als auch noch kleine Feuertonnen auf den Gehwegen angezündet werden. Damit hätten wir im Mai in Südkalifornien definitiv nicht gerechnet. Als wir wieder aufbrechen, führt der Trail schnell bergab und die Temperaturen steigen wieder. Zurück ist das gewohnte Wüstenbild.
Schon seit 200 Meilen warnen uns immer wieder Amerikaner vor den Hot Pools am Deep Creek Fluss. Dort sollen so "strange naked hippies" rumhängen. Als wir entlang des PCTs zum Deep Creek Canyon kommen, erwartet uns ein paradiesischer Ort mit weißem Sandstrand, einem breiten Fluss und kleineren Becken mit heißen Quellen. Zwischen den Bäumen sind Hängematten und Tarps gespannt. Wir verbringen die Mittagspause in lustiger Gesellschaft, baden im Fluss und können die Warnung der Amis nicht so recht verstehen; Nun ja, ein paar Leute sind nackt, ein paar essen Pilze und ein paar Verrückte sind von der mexikanischen Grenze zu Fuß hierher gekommen... Aber alle sind super freundlich und genießen einfach diesen verzauberten Ort.
Weiter laufen wir entlang des Deep Creeks durch eine wunderbare Landschaft. Am Abend werden wir noch von einer kleinen Trailmagic überrascht. Nachdem wir die Canyonlandschaft schließlich verlassen haben und ins nächste Tal abgestiegen sind, steht dort die fröhliche Brenda mit einem Cross Bike mit gekühlter Soda beladen, welche sie an die durstigen Hiker verteilt.
Ein weiterer denkwürdiger Zwischenstopp ist der berühmte McDonalds an der Interstate 15 (der einzige McDonalds am gesamten PCT). Der PCT verläuft ca. eine halbe Meile an der Raststätte vorbei, sodass viele Hiker die Gelegenheit nutzen, den Nachmittag in der klimatisierten Hütte zu verbringen und sich die Bäuche mit Burgern vollzustopfen. Das lassen wir uns natürlich auch nicht entgehen - Essen kann man gar nicht genug. Mit dem Engländer neben uns können wir allerdings nicht mithalten. Er vertilgt tatsächlich 14 Burger plus 2 McFlurrys! Danach laufen wir wieder in die Berge hoch. Auch wenn sich die Burger im Bauch bei dem Anstieg bemerkbar machen. Obendrein müssen wir noch jeweils 5 Liter Wasser extra tragen, da mal wieder eine trockene Wüstenpassage vor uns liegt.
Die nächsten Tage geht es wieder steiler bergauf. Die Landschaft wird waldiger, je näher wir nach Wrightwood kommen. Von den Bergen aus haben wir eine fantastische Aussicht und sehen bereits den kleinen Ort aus der Ferne unter uns liegen. Noch eine kühle, windige Nacht auf 2750 m und am nächsten Morgen dann der Abstieg nach Wrightwood. Mittlerweile ist unser Hiker-Hunger so groß, dass wir direkt ins Diner stürmen (sonst war immer die Dusche die erste Station in den Orten). Wir bleiben für eine Nacht, waschen Wäsche und besorgen neue Verpflegung.
Hinter Wrightwood wartet Mount Baden Powell. Der 9400 feet hohe Berg ist nach dem Gründer der Boy Scouts benannt. In der Mittagshitze schlängeln wir uns den Pfad hoch. Je höher wir kommen, desto kühler wird es und schließlich passieren wir die ersten Schneefelder. Der PCT biegt kurz vor der Spitze auf einen Grat ab. Wir lassen unsere Rucksäcke an der Weggabelung stehen und klettern das letzte Stück durch tief hängende Wolken auf den Gipfel hoch. Was für eine Aussicht! Unser Timing ist genau richtig, nur 15 Minuten später zieht eine graue Nebelfront heran und die Sicht ist gleich Null. Wir haben noch 10 km vor uns. Es geht leicht bergab und dann nochmal über eine weitere Anhöhe. Müde von dem Aufstieg kämpfen wir uns durch den plötzlichen Sturm und kurz darauf auch noch Graupelschauer. Als das Zelt endlich aufgebaut ist, verschlingen wir noch schnell eine Tüte Trekkingessen am Lagerfeuer und kriechen anschließend mit allen Klamotten, die wir haben (da wir eigentlich auf Wüste eingestellt sind, ist das jedoch nicht so viel) in die Schlafsäcke.
Am nächsten Morgen sind die Zelte unter einer Schneedecke begraben. Nach einigen Meilen stoßen wir auf einen Berghighway und folgen diesem für etwa 5 Meilen, da ein kleiner Abschnitt des PCTs gesperrt ist (zum Schutz einer bedrohten Froschart). Wir laufen am Straßenrand entlang durch dichten Nebel, die Berge sind hinter grauen Wolken verborgen und alles wirkt ganz surreal. Wir machen unsere Stirnlampen an, damit uns etwaige entgegenkommende Autos sehen können ...es sind ganze 2 Fahrzeuge in 2 Stunden.
Während der folgenden drei Tage bleiben wir in den Bergen und laufen immer wieder durch große Gebiete, die von Waldbränden gezeichnet sind. Nach Bränden breitet sich hier oft Poodle Dog Bush aus, eine giftige Pflanze, die richtig groß werden kann und die man auf keinen Fall berühren sollte. Zum Teil wuchert sie direkt auf dem schmalen Trail entlang der Berghänge oder versteckt sich in Gebüschen, durch die man durch muss. Der Trail ist hier erst seit wenigen Tagen wieder geöffnet. Wir schlängeln uns vorsichtig durch die Vegetation und wenn dann noch ein Windstoß aufkommt und die Poodle Dog Bush Triebe biegt, sind fortgeschrittene Limbo-Kenntnisse von Vorteil.
Während man anfangs noch viele Hiker getroffen hat, wird es mittlerweile merklich einsamer auf dem Trail. Wir passieren die 700 km Markierung. Es geht steil bergab und schnell wird es wieder heiß. Bei ca. 35°C erreichen wir die nächste Zwischenstation: den Campground in Acton.
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Hanna (Samstag, 20 Mai 2017 14:38)
Das ist ja herrlich beschrieben! Ich habe die Luft angehalten beim Lesen. Bei den Limbo-Tänzen um den Poodle Dog Bush wäre ich gern dabei gewesen :-) .
Jon Athan (Samstag, 20 Mai 2017 22:23)
Immer, wenn es einen neuen Blogeintrag gibt und ich eure großen Fortschritte auf dem PCT mit dem vergleiche, was ich so währenddessen geschafft habe, bin ich ob meiner Unproduktivität erstmal etwas ernüchtert. Aber die gute Stimmung die aus den Berichten und Fotos rüberschwingt ist zum Glück ansteckend – warte schon mit Spannung und Vorfreude auf das nächste Update ;)
Anke und Rudolf (Dienstag, 23 Mai 2017 21:53)
Wir sind sehr beeindruckt von eurer Leistung! Was für tolle Erlebnisse und wie schön, euch so fröhlich auf den Fotos zu sehen. Was sagen eure Füße? Wir freuen uns schon auf den nächsten Bericht. Bleibt weiter so stark! Ganz liebe Grüße aus Eimsbüttel